Im April traf Mathilde einen ihrer älteren Cousins, der sie relativ unumwunden nach den Dolmetschern fragte. Er war in München, weil er bei der Volkssturmeinheit des Gauleiters war. Ihn interessierten recht auffällig, die ihm suspekten „Drückeberger“, welche seiner Meinung nach niemand brauchte. Sie würden schließlich ja nicht recht hilfreich sein, wenn es um die Verteidigung des Deutschen Reiches ginge. Mathilde versuchte sich mit ein paar unbestimmten umwölkten Antworten aus der Affäre zu ziehen, von ihren Beobachtungen erzählte sie ihm nichts. An einem der nächsten Tage – es war der 26. April 1945 – traf sie im Büro auf Ottheinz und berichtete ihm von den seltsamen Fragen des Cousins. Ottheinz reagierte bestürzt und ging mit ihr in einen der kleinen Klassenräume. Er wollte nicht recht herausrücken mit der Sprache, aber Mathilde ließ nicht locker und schließlich erzählte er dann doch: Heuwing, Gerngross und er hätten schon seit längerem die Idee, dass auch nach dem missglückten Attentat auf den Führer etwas passieren müsste, damit der Krieg endlich ein Ende hätte. Sie hätten vergebens darauf gehofft, dass aus dem Umfeld des Reichsstatthalters Franz Xaver Ritter von Epp etwas begonnen werde. Sie hätten von dessen Adjutanten Günther Caracciola-Delbrück, mit dem sie früh diesbezüglich schon Kontakt hatten, schon länger nicht mehr gehört. Die Rundfunkaufrufe von diesem Hagedorn würden ja auch eine klare Sprache sprechen, weshalb sie nun selbst aktiv werden wollen. Deshalb würden sie so viele Waffen und Munition wie möglich sammeln. Und Heuwing habe über das Gut Hirschau Kontakt nach Freising aufnehmen können und auch im Kriegsgefangenenlager in Moosburg, wo sie ja bereits gewesen sei, gäbe es zwei Gruppen, die sich beteiligen wollten. Sie hätten sogar erst gestern zwei französische Kriegsgefangene aus dem Lager befreit und in eine Schwabinger Autowerkstatt gebracht, weil sie sich erhofften, dass diese über ein Funkgerät Nachrichten zu den Münchner Plänen an die Alliierten senden würden. Auch würden sie gerade mit dem Kommandeur der großen Panzer-Abteilung in Freising, Major Alois Braun, darüber sprechen, wie er seine große Einheit einsetzen könnte, um sie zu unterstützen. Einen Namen für die geplante Aktion gäbe es schon: „Freiheitsaktion Bayern “ kurz FAB und losgehen sollte es, sobald alliierte Soldaten so nah seien, dass sie innerhalb von einem Tag München erreichen könnten, um die Aktion zu unterstützen. Ottheinrich zeigte Mathilde ein Blatt Papier, auf dem zehn Punkte standen. Aber auf einmal klopfte es und er musste den Zettel schnell einstecken. Mathilde verstand nicht ganz, was er mit Aktion meinen könnte, konnte aber nicht nachhaken, weil sie so bald nicht mehr unter vier Augen zusammentrafen.
Hier der Text des Zettels, den Ottheinz so schnell verschwinden lassen musste:
Zehn-Punkte-Programm der FAB | April 1945
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