„Totaler Krieg“

tot_krieg

soldatIn dieser Zeit war die Front des Krieges immer näher gerückt. Hatten die gegnerischen Einheiten im Herbst 1944 bereits im Westen das Reichsgebiet erreicht, kamen sie nun auch im Osten immer näher. Die örtlichen Verwaltungen verkündeten Pläne für Verteidigungsmaßnahmen. Bei der Mobilisierung des Volkssturms griff die Verwaltung auch auf ältere Männer und Jugendliche zurück. Die Gauleitung erhielt Volkssturm-Einheiten mit besser ausgebildeten Rekrutierten.

Im zum Teil stark zerstörten München war das Leben recht mühsam geworden: wegen der Alarme – vor allem nachts – mussten die Hausbewohner immer wieder in den engen stickigen Luftschutzkeller. Sie saßen eng gedrängt, schwer atmend unter den Gasmasken und warteten auf Entwarnung. Um an Lebensmittel zu kommen, reichte es nicht mehr aus, sich mit seinen Lebensmittelmarken in den überlaufenen Läden anzustellen. Oft gab es nach langem Warten, nur noch wenig Ware. Manche Dinge bekam man lediglich im Tausch und über Beziehungen. Vor allem für die zahllosen FremdarbeiterInnen und Kriegsgefangenen, die oft harte körperliche Arbeit leisten mussten, wurde es damit immer schwieriger, ausreichend Essen zu bekommen. Mathildes Eltern hatten glücklicherweise Freunde in der rund fünfzig Kilometer südlich gelegenen Bergarbeiterstadt Penzberg, wo sie nun immer öfter über mehrere Tage blieben.

Mathilde selbst hatte bis zu ihrer Arbeit in der Dolmetscher-Kompanie noch nie etwas gehört vom riesigen Kriegsgefangenenlager im rund 50 Kilometer entfernten Moosburg. Sie konnte den Dolmetscher Leo Heuwing einmal bei einer Dienstfahrt im März 1945 begleiten. Dort trafen sie auf andere Dolmetscher, und auf der Rückfahrt besuchten die beiden seine Freunde Robert von Werz und Ebba Ottow auf dem größeren Gutshof Hirschau, der markante Silotürme hatte. Mathilde bekam dabei vertrauliche Gespräche mit, deren Inhalt sich nicht recht zusammenreimen wollte. Es ging irgendwie darum Kontakt zu einer Freisinger Panzereinheit aufzunehmen und andererseits um französische Kriegsgefangene, die man nach München Schwabing bringen wollte. Dabei fiel auch der Name der Autowerkstatt von Georg Roedter, die in der Nachbarschaft der Fahrbauer’schen Wohnung in der Occamstraße lag. Allerdings war sie auch nicht ganz bei der Sache. Ihre Eltern waren in der Woche zuvor nach Penzberg gefahren und hatten seitdem nichts mehr von sich hören lassen. Das war nicht so ungewöhnlich, die Kommunikations- und Reisemöglichkeiten für Privatpersonen waren zugunsten des Militärs eingeschränkt, trotzdem war sie etwas beunruhigt. Auch fand sie die Geheimniskrämerei der Dolmetscher ein bisschen überzogen, wer sollte schon etwas mitbekommen, waren doch die meisten Menschen recht mit sich selbst beschäftigt.