Büros der FAB

Am Freitagmorgen, den 5. Mai 1945 beschloss Mathilde es nochmals zu versuchen, mit dem hinausgehen. Über die etwas kleinere Clemensstraße machte sie sich auf den Weg in Richtung Saarkaserne. Sie wollte endlich ihr Fahrrad holen. Sie kam gut durch. Auch hier waren einige Häuser getroffen und die Wohnungen wirkten ziemlich verlassen. An der Ecke Schleißheimerstraße kurz vor der Kaserne hörte sie einen Motor immer lauter tuckern. Ein Jeep der US-Armee kam auf Mathilde zu.
Ihr erster Reflex war eigentlich Laufen, aber sie wäre sowieso nicht schnell genug gewesen. Die beiden US-Soldaten musterten sie und kontrollierten ihre Papiere. Da stand sie, in ihren fadenscheinigen, staubigen Kleidern. Schmal im Gesicht, blass und frierend. Verstohlen musterte sie die Soldaten, sie waren frisch rasiert und proper. Der eine von beiden, ein Schwarzer, hatte ein strahlendes Lächeln unter einem etwas zu großen, schief sitzendem Helm. Der andere ein stattlicher dunkelhaariger Mann, mit einem charmanten Grübchen im Kinn und einem markanten Profil, spracht fast akzentfrei Deutsch mit ihr. Er fragte, wohin sie denn unterwegs sei. Sie fasste Vertrauen und schilderte ihre Situation, dass sie sich versteckt hatte und dass sie nicht wusste, was mit ihren Eltern und den FAB-Aktivisten passiert sei. Die Soldaten hatten zufällig die Rundfunkaufrufe gehört, konnten Mathilde aber über die anderen auch nicht mehr berichten. Zum Abschied warnten die beiden Sie, sich in Acht zu nehmen, weil sich noch zahlreiche Nationalsozialisten in der Stadt versteckten und es immer wieder Überfälle auf Passanten gab.

An der Kaserne stand das am Fahnenmast festgesperrte Fahrrad zum Glück noch da. Am Eingangstor der Kaserne hing folgender Zettel:

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Mathilde war wie elektrisiert. Sofort radelte sie in die beim Siegestor gelegene Schackstraße. schackstrasse_1Dort traf sie auf ein paar bekannte Gesichter aus der Dolmetscher-Kompanie. Sofort fragte sie nach Ottheinz und erfuhr, dass es im gut ginge, er hätte sich in München versteckt, bis die Amerikaner die Stadt erreicht hatten. Er sei recht umtriebig beim Versuch höhere Nationalsozialisten dingfest zu machen, die sich in München verborgen hielten. Bestimmt sei er gerade im anderen Büro in der Wasserburgerstraße, hatte aber angekündigt noch vorbeizuschauen. Deshalb wartete Mathilde in der Schackstraße auf Ottheinz. Irgendwann hatte sie völlig übersehen, dass es inzwischen dunkel geworden war. Wegen der Wasserburger StrasseAusgangssperre konnte sie nicht mehr nach Schwabing radeln. Auf einem Sofa legte sie sich hin. Sie schlief nur schwer ein. Sie hatte einigen von den Verhaftungen und Erschießungen im Zentralministerium erzählt. Das hatte sie aufgewühlt. Auch hatten einige Besucher des Büros erzählt, dass es Gerüchte über weitere Erschießungen draußen auf dem Land gegeben habe. Genaueres wusste aber niemand.