US-Soldaten in München

schwab_brMathilde hatte sich nicht mehr getraut hinauszugehen nach der Flucht aus dem Zentralministerium. Die Tage über war sie froh um die selbst eingeweckten Konserven, wegen derer sie sich oft genug lustig gemacht hatte über ihre Mutter. Wenn sie auf Zehenspitzen stehend auf dem Dachboden aus dem Fenster schaute, konnte sie in der Ferne sehen, dass die Militärfahrzeuge fast ausschließlich Richtung Süden fuhren. Fliegeralarm hatte es erstaunlicherweise auch schon lange keinen mehr gegeben. Deshalb traute sie sich nun in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, den 3. Mai 1945 das erste Mal wieder auf die Straße, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.

Im Dunkeln drückte sie sich an der Hauswand entlang, um über die menschenleere Leopoldstraße Richtung Süden zu gelangen. Die Schutthaufen getroffener Gebäude, die nur notdürftig zur Seite geräumt waren, machten alles etwas unübersichtlich. Als sie an der Ecke Franzstraße am Schwabinger Bräu auf einmal Schritte von schweren Stiefeln hörte, verbarg sie sich in einem dunklen Hauseingang.
Zum Glück hatte sie die drei US-Soldaten nicht gesehen. An einer Plakatwand hatte sie kurz zuvor nämlich lesen können, dass es strengsten verboten war, sich nachts draußen aufzuhalten. Obendrein hatte sie große Angst, weil schon seit einigen Monaten heftige Gerüchte kursierten, was die fremden Soldaten Deutschen und vor allem deutschen Frauen angeblich antun würden. Erschreckt und verstört kehrte sie schnell in den Schutz der elterlichen Wohnung zurück. Noch nie zuvor hatte sie sich so allein gefühlt.