Flucht aus dem Zentralministerium

Am Vormittag des 29. April schreckten die fünf wieder wegen krachender Schüsse auf. Im Vorbeigehen flüsterte später ein Dolmetscher Mathilde zu, dass er gerade zum Putzen der Einfahrt abgestellt worden war und dort neben viel Blut der Leiche des Dolmetschers Maximilian Roth und die eines angeblichen Waffenschiebers namens Heinrich Gerns habe liegen sehen. Mittags wurden neue Gefangene gebracht neben zwei Männern, die sie noch nie gesehen hatte, sah Mathilde mit Schrecken, dass die Eltern von Rupprecht Gerngross an ihrer Zellentür vorbeigeführt wurden.

Das Getuschel der Obermenzinger Mitinhaftierten riss Mathilde aus ihren Gedanken. Mit Gesten und Mimik gaben sie ihr zu verstehen, dass sie sich nahe bei ihnen aufhalten sollte. Es war ein geschäftiges Treiben ausgebrochen in den Bunkeranlagen, man ging daran das Zentralministerium zu räumen. Die Gefangenen sollten in den Wirtschaftshof kommen. Auf auto_kleineinmal rannten die Obermenzinger in die Richtung eines Wagens – Mathilde hinterher. So schnell konnten die Volkssturm-Männer gar nicht schauen, da fuhren sie schon mit dem Auto nach Norden davon. Die Bewacher waren so sehr mit ihrer eigenen Flucht vor den heranrückenden alliierten Truppen beschäftigt, dass sie sich nicht einmal die Mühe machten, dem Wagen zu folgen. Im Augenwinkel sah Mathilde noch einen Lastwagen mit vier ihr nicht bekannten Gefangenen und einigen Bewachern Richtung Süden fahren. Später im Jahr 1945 wurden ihre Leichen im Perlacher Forst gefunden. Es waren Harald Dohrn und Hans Quecke, die in Bad Wiessee festgenommen worden waren. Sie wurden erschossen obwohl sie nichts mit dem FAB-Aufstand zu tun hatten. Bei den beiden anderen Opfern Johann Pohlen und Karl Rupperti war überhaupt nicht mehr zu ermitteln, wie und warum sie überhaupt in Haft kamen. Auch die Hinrichtungsopfer aus dem Zentralministerium waren auf einem Lastwagen in das südlich von München gelegene Waldstück gebracht worden.

Mathilde war während ihrer Haft im Zentralministerium noch nicht einmal nach ihren Papieren gefragt worden. So fühlte sie sich relativ sicher, als sie sich von katzeObermenzing aus, abseits der großen Straßen, nach Schwabing zur elterlichen Wohnung durchschlug. Ihr Fahrrad an der Saar-Kaserne traute sie sich nicht zu holen. Ihr war gar nicht mehr recht danach die Wohnung überhaupt wieder zu verlassen. Die spärlichen Nachrichten aus dem Rundfunk waren diffus und unklar.