Die Münchner Dolmetscher

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Zu ihrer großen Liebe hatte Mathilde den Kontakt gehalten, obwohl Ottheinz nach einem Studienaufenthalt in England eine andere Frau, die aus England kam, kennengelernt und geheiratet hatte. Zwei Jahre nach Kriegsbeginn, den Mathilde in Rottach-Egern anfangs nur am Rande mitbekam, war Ottheinz als Dolmetscher für Englisch eingezogen worden. In den frühen 1940er Jahren hatte die Wehrmacht Dolmetscher-Einheiten aufgestellt. Sie hatten vor allem die Aufgabe an der Front die Kommunikation mit der Zivilbevölkerung und den Gefangenen zu gewährleisten und im rückwärtigen Gebiet in Kriegsgefangenenlagern zu übersetzen und die Post der ausländischen Gefangenen zu kontrollieren. Ottheinz war im Frühjahr 1943 von seinem Einsatz im besetzten Holland nach München zurückgekehrt, wo er nun die anderen Soldaten in Englisch unterrichtete. Zwar war die anfängliche Siegesgewissheit seit dem deutschen Rückzug aus Stalingrad etwas gedämpft, aber die Vertreter des Regimes in Politik und Militär waren sicher, dass auch weiterhin sprachkundige Kräfte benötigt würden.schreibmaschine_zeichnung

Ende Juli 1944 im Rahmen der so genannten totalen Mobilmachung sollte Mathilde für kriegswichtige Aufgaben zur Wehrmacht zwangsverpflichtet werden. Durch Fürsprecher an höheren Wehrmachtsstellen und durch die Vermittlung ihrer großen Liebe gelang es ihr als Sekretärin in der Münchner Dolmetscher-Einheit unterzukommen.

An Weihnachten 1944 blieb ein guter Freund ihrer Eltern, Dr. Otto Leibrecht, nach einer Dienstreise in der Schweiz, weil er in NS-Deutschland Angst um sein Leben hatte. Die Fahrbauers waren in Sorge, weil sie fürchteten, dass herauskommen könnte, dass er vor der Abreise noch bei ihnen war und darum gebeten hatte, dass sie sich im Notfall um seine Frau und Kinder kümmern mögen.

Schon ab Anfang des Jahres 1945 waren einige Mitglieder der Dolmetscher-Einheit eher skeptisch und begannen vorsichtig ihre Zweifel am Regime anzudeuten. Andere wiederum vertrauten scheinbar den Parolen des Regimes und verharrten im unumstößlichen Glauben an den Führer. Während ihrer Arbeit im Dolmetscher-Sekretariat hatte Mathilde mitbekommen, dass Ottheinz Leiling und seine Kollegen Rupprecht Gerngross und Leo Heuwing sich öfters intensiver besprachen. Durch einen Zufall hatte sie erfahren, dass sie Kontakt zu Franz Sperr und dessen Freundeskreis hatten. Er und einige Vertraute waren nach dem Attentat auf Adolf Hitler im Juli 1944 festgenommen worden und saßen seitdem in einem Berliner Gefängnis. Im März und April 1945 konnte Mathilde beobachten, dass sich die drei mit Offizieren anderer Einheiten trafen, mit denen die Dolmetscher bis dahin noch nie zu tun gehabt hatten.

In einem Gespräch mit Ottheinz hatte Mathilde sich verplappert. Sie hatte Ende Februar 1945 einen Rundfunksender entdeckt, auf dem ein Mann namens Hagedorn recht deutliche Worte zur Situation in Deutschland fand. Er rief dazu auf, sich bereit zu halten, um den Nationalsozialisten ein Ende zu setzen, durch eine bedingungslose Kapitulation Deutschland zVolksempfängeru retten, damit es sich unter alliierter Kontrolle wieder erholen könne. Nach Kriegsende stellte sich heraus, dass der geflohene Freund ihrer Eltern, Dr. Otto Leibrecht, mit seinen Berichten zu Widerstandsplänen in München, Ideengeber für diese Sendungen war. Sie sollten die Durchhalteparolen der NS-Propaganda untergraben und die Bevölkerung zu Widerstandshandlungen ermutigen.