Am 17. Mai 1985 landet Mathilde als ältere Frau in München-Riem. Sie denkt zurück an diesen Tag vor 40 Jahren. Die US-Militärbehörde hatte die Tätigkeiten der FAB und die Organisation an sich verboten. Auch wenn einige versuchten die Kreise der Aktiven zusammenzuhalten, waren doch die meisten mit den Herausforderungen der Nachkriegszeit beschäftigt. Ihr war es ja auch ähnlich gegangen. Ihr Arbeitgeber Radio München wurde Anfang 1949 zum Bayerischen Rundfunk. Mathilde hatte schon einige Zeit vorher dort aufgehört, um in ihren alten Bereich Architektur zurück zu wechseln. Während ihrer Arbeit beim Rundfunk hatte sie Anselm Miller aus New York kennengelernt. Er war bei der Invasion in der Normandie dabei gewesen. Und wegen seines Hobbys als Amateurfilmer war er bei der Einheit eingesetzt, die nach der Befreiung im Konzentrationslager Dachau filmte. Seine anschließende Tätigkeit bei Radio München für die Reeducation in der US-Besatzungszone war stark vom Gesehenen geprägt. Er konnte nur schwer verstehen, warum die Menschen, die anderen solch grausame Dinge angetan hatten, nicht mit mehr Nachdruck gesucht und verurteilt wurden. Diese vielen kleinen Ungerechtigkeiten ließen ihn manchmal schier an seiner Arbeit verzweifeln. Mathildes Standpunkt war hier etwas indifferenter, sie selbst hatte ja die Jahre über mitbekommen, was das NS-Regime mit den Menschen machte. Anselm sah das anders, schließlich habe Mathilde ja selbst – wenn auch erst am Ende des Krieges – nur um Haaresbreite überlebt, obwohl sie schon im Zentralministerium inhaftiert war. Allerdings, meinte sie, sie sei ja nur zufällig in die Ereignisse um die FAB hineingeraten, weil sie bei der Dolmetscher-Kompanie beschäftigt war. Aber Anselm entgegnete, dass sie deshalb ja trotzdem ein hohes Risiko für ihr Leben eingegangen sei, indem sie versuchte sich am Aufstand gegen die Nationalsozialisten zu beteiligen. Sie hätte ja auch einfach daheim in der sicheren Wohnung bleiben können. Oft saßen sie abends am Küchentisch und diskutierten darüber. Mit den zunehmenden Spannungen zwischen Ost und West wurden ehemalige Nationalsozialisten immer rascher wieder in die deutsche Gesellschaft integriert. Mit Spannung verfolgte Anselm die Nürnberger Prozesse, war aber auch mit deren Urteilen nicht zufrieden. Als er die Möglichkeit bekam, den Militärdienst zu verlassen, zog es ihn zurück in die USA.
Mathilde entschied sich, ihn zu begleiten. Auch wenn es ihr schwer fiel ihre Eltern und Freunde in München zurückzulassen. Vor ihrer Abreise traf sie nochmals einige Ehemalige aus der FAB: Ottheinz war inzwischen Justiziar des Bayerischen Rundfunks geworden, Leo Heuwing hatte gerade eine Karriere als Architekt begonnen. 1956 sollte er Verwaltungsdirektor des Deutschen Museums werden und Rupprecht Gerngross war als Anwalt tätig.
Nun im Jahr 1985 wollte sie ein paar Freunde besuchen und sich die 1981 an der Münchner Freiheit angebrachte Gedenktafel ansehen. Beinahe hätte sie die bronzene, langgezogene Tafel am Ende der östlich gelegenen Rollstuhlrampe nicht gefunden. Mit der U-Bahn fuhr sie dann schließlich auch die drei Station zum Odeonsplatz. Das erste Mal seit 40 Jahren betrat sie das Gebäude in der Ludwigstraße, in dem sie Ende April 1945 inhaftiert gewesen war. Jetzt war es das Landwirtschaftsministerium. Im Innenhof hatte man auch dort zum Gedenken der Todesopfer eine steinerne Tafel angebracht. Nur zaghaft näherte sie sich dem Tor durch das man in den angrenzenden Hof schauen konnte, in dem einige der Opfer erschossen worden waren.